Fundstückchen

Sockenpoesie

Wie oft begegnen uns kluge Aussagen, berührende Texte, lustige Gedichte – die man genauso schnell wieder vergisst. Ich habe darum hier ein gemütliches Eckchen eingerichtet, in dem ich solche „Fundstücke“ (immer mit Einverständnis des Urhebers) für mich und andere Leselustige aufheben kann.

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Januar 2015  passend zu einer meiner Leidenschaften 


 

gefunden in einer FB-Handarbeitsgruppe

und sofort ins Herz (bis zu den warmen Füßen) geschlossen. Vielen Dank, Angela

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An die Nadeln – fertig los!
Socken stricken ist famos.
Anstatt zu putzen und zu flitzen
gemütlich auf dem Sofa sitzen.
Kaffee schlabbern,
Nadel klappern.
Schöne Musik im Hintergrund
Nur manchmal … sind die Finger wund.
Für die Motorik – das ist klar….
ist stricken einfach wunderbar.
Auch fürs Gemüt ist stricken gut,
ganz schnell verrauchen Frust und Wut.
Alles ist so schön relaxed,
man freut sich wenn die Socke wächst.
Doch auch zur Vorsicht wird geraten,
wenn wir mit dem Stricken starten.
Aus dem Hobby wird schnell eine Sucht,
die ständig nach neuer Wolle sucht.
Mein Mann hat es ganz schnell entdeckt
und die Werbung vor mir versteckt.
Doch was soll’s – wir sind ja Frauen
und gehören zu den Schlauen!
Solang‘ das Internet noch nicht gekappt
auch der Wollkaufrausch noch klappt.
Und die Füße freuen sich sehr,
haben keine Angst vor Kälte mehr.
An die Nadeln – fertig los!
Der Spaßfaktor ist riesengroß!

°Angela Moyes°

 

September 2016  auf  Facebook entdeckt:


„PERLE,….DU musst echt was machen, es fällt nicht nur mir auf, fast ALLE sprechen schon darüber!“ sagt meine Freundin und schaut mich mitleidig an.

„Was ist denn los? ICH weiß NICHT was Du meinst…!“

„Ach komm, tu doch nicht so: Du weißt es doch genau und jeder kann es sehen: DU BIST HÄKELSÜCHTIG!“

Ich zucke völlig verdutzt zusammen!

Meine Freundin kann mich nicht meinen!

ICH und süchtig – NIEMALS!

Gut, ich gebe zu: eine gewisse Leidenschaft für WOLLE lebe ich schon aus! Aber wegen den 18 herumliegenden UFOs kann man doch noch nicht von Sucht sprechen. Ich meine das bisschen Wolle, das sich in jeder Ecke und jedem Winkel, meiner Wohnung findet, das ist doch völlig normal, oder? Dass ich fast mein ganzes Haushaltsgeld in Wolle investiere ist doch ebenso verständlich, ich gehe halt auch lieber zu meinem Freunden zum Essen, als selber zu kochen ( ich habe eh keine Zeit mehr für meinen Haushalt und Staubwischen und  Staubsaugern wird sowieso völlig überbewertet),….für so was habe ich auch keine Zeit mehr, denn ich muss ja an den UFOs arbeiten. Ich kann auch schon lange kein Buch mehr lesen, denn ich brauche halt nun mal zwei freie Hände für meine ganzen Projekte; ins Kino gehe ich schon seit Jahren nicht mehr, denn es ist mir dort einfach zu dunkel. Party werden nur noch von mir besucht, wenn ich dort die Garantie auf einen gemütlichen Stuhl habe, in den ich ungestört den ganzen Abend handarbeiten kann. DAS ist doch alles verständlich und hat nix mit SUCHT zu tun!

Ich bestätige zwar, dass ich schlimme Schweißausbrüche bekomme, wenn ich auf der Fahrt zum See bemerke, dass ich meinen Handarbeitskorb zu Hause vergessen habe…und JA, dann muss mein Mann halt einen gaaanz kurzen Umweg zum nächsten Wolleladen fahren um ein paar Knäule und Nadeln zu besorgen, obwohl ich ja selber einen Wolleladen in der Stadt betreibe! Aber ein Tag am See …ohne? Undenkbar!

Ich besitze auch keine Kleidung mehr, die NICHT selbstgestrickt oder-gehäkelt ist…ist doch eine ganz normale Entwicklung..ich meine für was mache ich das Ganze denn? Doch nicht für die Mülltonne. Und dass meine Freunde schon mit den Augen rollen, wenn ich mit weiteren Topflappen zur Grillparty antanze…DAS ist doch wohl eher DEREN Problem, oder? Ich fliege  auch schon lange nicht mehr mit dem Flugzeug, weil man dort aus Sicherheitsgründen keine Nadeln mehr mit nehmen darf, aber gleich von einer SUCHT zu sprechen, das finde ich echt übertrieben. Es tut mir leid, ich kann jetzt hier echt nicht weiter tippen, denn ich brauche meine Finger jetzt für was Anderes..IHR versteht mich doch sicher, oder?

mit wolligen Grüßen

Eure Petra Perle

 

 

Jetzt gießt Euch einen Tee ein und genießt dieses Märchen für Strick- und Häkellieseln, das mir Perle noch geschickt hat:

Der magische Wollknäuel – ein Weihnachtsmärchen

Es war einmal ein junges Mädchen. Fast ihr ganzes Leben war sie nur für die anderen da. Sie tat alles, damit es ihrer Mutter gut ging, denn die Mutter war schnell genervt, fast immer kränklich oder sie hatte schlimme Migräneanfälle; nie war ihr etwas recht zu machen. Die Tochter nervte sie nur, obwohl sie ständig um das Wohl der Mutter bemüht war. Sie übernahm schon in frühen Jahren die Hausarbeiten, was sie natürlich nur nachmittags erledigen konnte, denn vormittags war die Kleine ja in der Schule. Auf dem Nachhauseweg ging sie noch beim Kaufmann vorbei und besorgte die Lebensmittel im Supermarkt. Dabei achtete sie natürlich immer mehr auf die Angebote, denn seit die Mutter nicht mehr arbeitete waren beide arm – da sind keine Extrawürste erlaubt. Nichts konnte sie sich leisten, keine Wünsche wurden erfüllt. Die Kleine trug nur gebrauchte und abgelegte Kleidungsstücke, weswegen sie in der Schule auch gerne mal geschnitten und ausgelacht wurde, denn wer gibt sich schon gerne mit den Menschen ab, die modisch und finanziell nicht mithalten können! Darum konnte das Mädchen nur mit Dingen spielen, die sich selber bastelte oder aus alten, gebrauchten Teilen herstellte.

Sie liebte alles, was aus Wolle war, denn das Gefühl, dieses schöne Material in den Finger zu halten, über die  Backe damit zu streicheln und zu kuscheln, das war einfach unschlagbar. Sie brachte sich selbst häkeln und stricken bei, und sobald sie ein Stückchen Wolle in den Händen hielt und damit arbeiten konnte war sie glücklich und erreichte auch eine gewisse Fertigkeit. Die schönste Dinge entstanden für ihren Teddy und die kleine Puppe, mit der schon ihre Mama gespielt hatte. Sie trennte die fertigen Kleidungsstücke immer wieder auf, um die Wolle ein weiters Mal zu bearbeiten und ein neues Modell zu fertigen…das machte ihr große Freude, und sie hatte auch Talent, Kleidung zu entwerfen.

Nun war es mal wieder Weihnachten geworden, die Mutter lag im abgedunkelten Zimmer mit einem kalten Waschlappen auf den Augen und stöhnte vor sich hin…! Kein Christbaum oder sonst eine jahreszeitgemäße Wohnungsdekoration erfüllte die kleine Wohnung mit weihnachtlichem Glanz. Es roch nicht nach Zimtsternen oder Marzipan, weder nach Nelken noch nach  Glühwein. Es roch ausschließlich nach der Zigarette MissErnte 23, denn die Mutter war eine notorische Kettenraucherin. Rauchen ist ja bekanntlich kostenintensiv, und so wurde das restliche Haushaltsgeld wie immer in Luft aufgelöst, genau die selbe Luft, die dann so abscheulich stank. Es war am Abend des 24. Dezember, die Mutter schnarchte lautstark auf dem Sofa und machte nicht den Hauch einer Anstalt, den Weihnachtsabend zu feiern…eher zu verschlafen.

„Was für ein elender Weihnachtsabend“ dachte die Kleine, als sie traurig aus dem Fenster der Neubausiedlung im 10. Stock blickte. Von hier oben konnte sie in viele fremde Wohnzimmer sehen, wo genau jetzt zur Dämmerung die Christbäume erleuchtet wurden, die kleine Glöckchen erklangen und die Kinder der anderen Familien zur Bescherung gerufen wurden. Auf den Tischen dampften die köstlichsten Speisen und alle Menschen waren glücklich. Traurig biss sie in die kalte Kabanossiwurst aus dem Regal für abgelaufene Produkte und schluckte sie vermischt mit dem Salz ihrer Tränen hinunter. Das schmeckte einfach nur scheußlich! Sie schlich am Wohnzimmer vorbei zum Flur, zog sich ihre zerrissene Daunenjacke von der Diakonie an und verließ die Wohnung, um einen kleinen Spaziergang zu machen; vielleicht konnte die kalte Winterluft sie auf andere Gedanken bringen. Sie fuhr mit dem Lift ins Erdgeschoss und stellte schnell fest, dass sie viel zu warm angezogen war…es hatte fast 17 Grad, und kein Schnee war in Sicht. Den schönen Schnee kannte sie eh nur noch von ganz alten vergilbten Fotos, die mit Magneten auf dem klapprigen Kühlschrank gepinnt waren. Auf den Fotos war ihre Mutter in jungen Jahren mit ganz einem fröhlichen Gesicht zu sehen. Sie stand in inniger Umarmung mit ihrem Vater auf einer weißen Skipiste. Beide hatten rote Zipfelmützen mit einem weißen Plüschrand und Bommel  auf dem Kopf. Vater war in diesem Sporturlaub neben der Skipiste von einer Lawine mit gerissen worden. Er überlebte diesen Urlaub nicht, und Mutter kam schwanger und als Witwe wieder in ihre kleine Wohnung in den 10 Stock. Von diesem Schock hatte sich die Mutter nie wieder erholt.

Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke und ging gedankenverloren durch die leeren Straßen in Richtung Stadtpark. Durch den Stadtpark wollte sie eigentlich nicht schlendern, denn er war ihr unheimlich, und sie war ja noch ein Schulkind. Aber den Weg UM den Stadtpark, der eben von vielen Straßenlaternen beleuchtet da lag, den konnte sie schon nehmen. Kein Mensch war unterwegs.

Auf einmal vernahm sie ein seltsames Geräuch…so was wie ein Wimmern und Jammern…es klang wirklich Mitleid erregend….und es kam direkt aus dem dunklen Stadtwald……..

„Soll ich einfach weitergehen, so tun als wäre nichts? Ich traue mich da nicht rein in das wilde Unterholz…ich kenne den Stadtwald, er wird ja seit letztem Jahr nicht mehr gepflegt, weil die Stadt kein Geld mehr hat und der Förster entlassen wurde. Seitdem sieht es im Stadtpark aus, wie bei Hempels unterm Sofa, sagt Mama immer! Allerdings weiß ich ja auch, dass wir so eine Familie Hempel gar nicht kennen und woher will SIE denn wissen, wie es bei dem Leuten unter Sofa aussieht?“ Solch wirre Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf. Das Wimmern weitete sich zu einem noch jämmerlichen Schreien aus. Eines steht fest : DA braucht jemand Hilfe! Wie jedes kluge Mädchen hatte sie eine leuchtstarke Taschenlampe in ihrer Jacke, stellte aber beim Anknipsen fest, dass die Batterien auch schon bessere Tage gehabt hatten…nur ein diffuser Lichtschein erhellte den schlammigen Waldboden neben dem betonierten Fußweg. Trotzdem verließ sie diesen Pfad mit festen Schritten und stakste über umgefallene Bäume, herumliegende Äste und das ganze verwilderte Unterholz in den Wald, der vor ihr wie eine riesige schwarze Höhle lag und sein Maul weit aufriss! Verdammte Fantasie!

Der Wald hat KEIN Maul..er ist einfach nur ein Wald in der Nacht!

Egal…das traurige Wimmern kam aus dieser Richtung, und ebenso deutlich war auch ein immer lauter werdendes Rascheln zu hören…doch nichts war zu sehen! „ Ist da jemand…hallo?“ rief sie in die Richtung. Da verstummte das Geräusch. Plötzlich war es fast totenstill. Nur noch ihr eigener schneller Atem und das Rauschen des leichten Windes in den Baumwipfeln war zu hören. „ Hallo?“  sagte sie mit fast erstickter Kinderstimme….“ Ich habe schon die Polizei verständigt, die ist gleich hier!“ Diesen taktisch klugen Satz hatte sie mal in einem Tatort-Krimi im Fernsehen gehört. Der lief, während ihre Mutter auf dem Sofa schlief. Sie konnte selber nicht schlafen, hatte etwas Sehnsucht nach ihrer Mutter und ging zu ihr ins Wohnzimmer…doch das einzige Lebenszeichen war das Schnarchen ihrer Mutter. Viele leere Weinflaschen standen auf und neben dem Couchtisch…und eben der Fernseher lief.

„Sie kommen mit einem Mannschaftswagen und müssten gleich hier sein!“ schob sie noch mit ihrem dünnen Stimmchen hinterher…..was folgte war: die absolute Stille! Jetzt fingen ihre Zähne an zu klappern…sie hatte ihr Unterkiefer nicht mehr im Griff. Nervös ratterte der Nerv und schlug gegen die obere Kauleiste…“Oh, lieber Gott, lass mich jetzt nicht alleine…ich habe ja sooo schreckliche Angst….“ sie schrie in Gedanken, „Was könnte nun alles Schlimmes passieren?…Warum habe ich nur den Weg verlassen..Wo ist die Siedlung?….“

Die dunkle Stille um sie herum hatte keine Antworten…….

Sie war allein und wurde sich dieser Tatsache sehr bewusst.  Heiße Tränen rannen ihr geräuschlos über die Wangen.

Da plötzlich:“………Määääh….!“   Das Gemeckere kam direkt von Ihren Füßen!

Schnell hielt sie die Taschenlampe auf den Boden..im zarten Lichtschein schaute sie direkt in zwei traurige, sehr dunkle Äuglein. Ein kleines Schäfchen blickte sie hilfesuchend an, und es zitterte am ganzen Körper. Sie ging in die Knie und betrachtete das possierliche kleine Wesen genauer, taste es am ganzen Körper ab und erkannte schnell, dass das kleine Tierkind mit dem Hinterlauf in einer Astgabel fest hing und nicht weiter kam. Das Bein war voller Blut, und um so mehr das Tierkind daran zerrte, um so fester saß es darin gefangen.

Schnell war ihr klar was zu tun war.:..sie wühlte in der Gesäßtasche ihrer Hose und zog ihr Wertvollstes hervor, was sie hatte: das alte, aber massive Taschenmesser ihrer verstorbenen Vaters… das Einzige, was sie von ihrem Vater besaß:

„LetterFrau..Das Taschenmesser für alle Handarbeitsfreunde“..stand darauf. Es hatte echt viele Funktionen: ein scharfes Messer natürlich, vielerlei Schraubenzieher, Flaschenöffner, Dietriche und das Allersinnvollste: Häkelnadeln in 3 verschiedenen Stärken! Doch für diesen speziellen Fall brauchte sie ein wichtiges Sonderwerkzeug…die alles durchschneidende Supersäge!

Sie nahm die Taschenlampe in den Mund, um den Lichtkegel genau auf die richtige Stelle zu setzen. Das Schäflein wimmerte leise und schaute sie noch ängstlicher an! Sie sägte so vorsichtig wie sie nur konnte sehr nahe an dem eingeklemmten Beinchen. Jetzt nur nicht ausrutschen und das arme Tier noch mehr verletzen. Das Holz war sehr hart, und sie kam nur schwer durch das Material. Der Schweiß tropfte ihr von der Stirn, und auch die Hände taten ihr bald weh bei der sehr einseitigen aber kraftvollen Bewegung. Als sie ein Dreiviertel des Astes durch hatte, war sie mit der scharfen Schere dem Tierbein schon sehr nahe…das arme Tierchen bewegte sich auch noch hin und her. Sie umarmte es zwar und redete beruhigend auf das Kleine ein, konnte dann aber mit nur einer Hand schlecht weiter sägen. Na, aber irgendwann war sie fast durch, das hört man auch am Sägegeräusch, dass fast kein Material mehr eine Resonanz abgibt.  Es machte einen  leisen Knackser…das Schafkind war befreit. Und eh sie sich versah lief es flugs weg und verschwand innerhalb von Sekunden in der Dunkelheit. Schade..sie hätte es gern mit nach Hause genommen! Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, klappte die „LetterFrau“ zusammen und fand im Lichtschein der Taschenlampe auch ihren Weg zurück zum Fußgängerweg. Sie ging irgendwie glücklich und beflügelt nach Hause: Sie hatte das Schäfchen befreit!  Aus der Ferne hörte sie ein vielstimmiges Gemäh …das  verlorene Kind ist  anscheinend wieder bei seiner Herde  angekommen…

Leise sperrte sie die Haustüre auf. Es war, als wäre sie nie weg gewesen. Keiner hatte sie vermisst!

Sie zog ihren Schlafanzug an, putzte noch gründlich die Zähne und legte sich ins Bett. Bevor sie einschlief, zählte sie noch viele fluffige, wollige Schäfchen die nach einander über einen Zaun sprangen ….

Der erste Weihnachtsfeiertag war fast immer noch trauriger als der Weihnachtsabend selber. Mutter schlief erstmal ihren Rausch aus, und wenn das Wetter draußen auch noch trübe und grau war, dann gab es fast keinen schlimmeren Tag im Jahr. Sie hüpfte aus dem Bett, um die Vorhänge auf zu ziehen; Draußen war es trübe, grau und es regnete auch noch! „Na, super, da hilft auch nichts, wenn ich mir alle 14 Wiederholungen von „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ anschaue, die den ganzen Tag auf den verschiedenen Fernsehkanälen laufen. Mutter wird es eh nicht erlauben, dass ich mich zu ihr aufs Sofa setze…sie will ja immer ihre Ruhe haben!“  Sie ging in die Küche, um eine Art Frühstück herzurichten, öffnete den Kühlschrank und sah…NICHTS…der Kühlschrank war leer! 2 Feiertage, die so blöde liegen, dass auch noch ein Sonntag folgt..das heißt im Klartext, dass man 3 Tage kein Essen kaufen kann…ein echtes Desaster, besonders wenn eben der Kühlschrank leer ist ! Hungrig schlich sie in ihr Zimmer zurück und legte sich wieder ins Bett, das noch ganz warm war. Die Heizung  war herunter gedreht, um Kosten zu sparen…es war halt auch schlicht kein Geld da für eine mollig warme Wohnung! Da plötzlich klingelte es an der Wohnungstür: „Brrrring, brring!“  Wer konnte das sein? Seit Jahren kam doch kein Besuch mehr…kein Mensch wollte sich das traurige Elend antun. Die Mutter war auch noch eine katastrophale Gastgeberin; sie ließ ja schon niemanden in die Wohnung! Es grunzte aus dem Wohnzimmer, während die Mutter sich auf dem Sofa umdrehte. Eine leere Weinflasche fiel dabei um und kullerte unter den Sofatisch…das Mädchen ging zur Türe und blickte durch den Spion in einen leeren Hausflur…nur das Geräusch des sich entfernenden Aufzuges war noch zu hören…er fuhr abwärts… Sie öffnete die Türe. Auf dem Fußabstreifer lag ein riesiger, hell leuchtender, fein gewickelter Wollknäuel…

Sie nahm ihn in die Hände – wie weich er doch war. Er roch leicht nach Lanolin und war so fluffig wie eine Wolke aussieht. Der wollweiße, seidige Faden schimmerte zart, und jedes  einzelne Haar war zu erkennen. Ein Zettel hing daran auf dem geschrieben stand: „Für ein tapferes Mädchen mit einem sehr großem Herzen! Mögen alle deine Wünsche in Erfüllung gehen!“

„Welcher Vollidiot war denn da an der Türe?“- „Niemand Mama!…schlaf nur weiter!“

Sie setzte sich auf ihr Bett, legte sich den Wollknäuel auf den Schoß, nahm die Häkelnadel Nummer 3 in die Hand und begann ein paar Maschen anzuschlagen. „Für meinen Kaufladen brauche ich noch Brote und Semmeln, die häkel ich mir jetzt einfach, das habe ich mal auf einem Foto gesehen Das war wunderschön, und ich probiere es nun mal aus – wird schon schiefgehen!“ Und die wollweiße Wolle eignete sich wunderbar dazu..sie war ja auch irgendwie so semmelfarben fand das Mädchen.

Auf einen magischen Fadenring häkelte sie 14 feste Maschen und schloss die erste Runde mit einer Kettmasche. Dann eine Wendeluftmasche in die zweite Runde und nun jede dritte Masche der Vorreihe verdoppeln. Das machte sie genau 3 mal, dann 3 Reihen ohne Zunahme häkeln. Dann braucht es eine Abnahme, damit die Semmel entsteht. Dafür ab der 7. Runde jede dritte und vierte Masche zusammen abketten, das ganze 3 Runden lang, dann ist man wieder bei der ursprünglichen Maschenanzahl..nun den so entstanden Hohlraum mit hellen Stoffresten oder einfach nur mi Watte füllen, und ab jetzt immer zwei Maschen zusammen häkeln, bis sich das Loch fast wie von selber schließt,..den Restfaden vernähen..fertig ist die erste Semmel! Das machte ihr so einen Spaß, dass innerhalb einer Stunde 4 kleine gehäkelte Semmeln vor ihr lagen. Die wolligen Semmelchen sahen wunderbar aus. Fast lief ihr das Wasser im Mund zusammen, denn sie hatte auch noch nichts gefrühstückt…weil ja auch gar nichts da war! Trotzdem ging sie in die Küche um nach Essbarem zu suchen. Sie staunte nicht schlecht als sie dem Raum betrat…es roch tatsächlich nach frischen Semmeln! Auf dem Küchentisch lagen viele duftende, helle Semmeln! Sie waren noch leicht warm und  hatten eine herrliche Kruste. Als sie in eine Semmel hinein biss, war es ihr als wäre sie im Himmel… So gute Semmeln..wie vom Bäcker..da waren ja die schnell aufgebackenen, polnischen Tiefkühlrohlinge, die im Discounter angeboten wurden NICHTS dagegen! Hmmm…was für ein Genuss…sogar ohne Auflage. So etwas Wurst…das wäre doch fein, die Würstchen könnte ich auch für meinen Kaufladen brauchen, vielleicht häkel ich mir einfach ein paar Wiener Würstel?  Sie ging gestärkt wieder in ihr Zimmer und machte sich an die Arbeit. Seltsamerweise hatte der Wolleknäuel nun eine andere Farbe angenommen…oder kam ihr das nur so vor? Er war irgendwie so „wurstfarben“! Egal..auf einen magischen Fadenkreis schlug sie 10 feste Maschen an und verband die erste Runde nicht mit einer Kettmasche, sondern häkelte wie in einer Spirale einfach über die erste feste Masche drüber, dann schraubte sie sich auf diese Art so  spiralenförmig weiter,  ohne noch eine Masche zu zu nehmen. Sie blieb bei der ursprünglichen Maschenzahl, bis das Würstschen so 12 cm lang war, dann wurde es wieder gefüllt und in der letzten Runde immer 2 feste Maschen zusammen gehäkelt, bis die Öffnung sich wie von selber schloss! Das wiederholte sie natürlich, denn für ein Paar Wienerle, braucht man natürlich 2 gleiche Würstchen.

„Schau mal Mama, was ich gehäkelt habe!“ freudestrahlend und mit den bereits zusammengehängten Würstchen zwischen den Fingern lief sie zu Ihrer Mutter, die endlich mal aufgestanden war. Sie stand in der Küche und blickte fassungslos auf den Herd. Dort thronte ein großer Topf voll heißem Wasser, in dem ein Dutzend Wiener Würstchen schwammen und vor sich hin dampften. „Was ist DAS denn?“ frage die Mutter sie und deutete mit ihren Zeigefinger auf den vollen Topf!

Flog da etwa ein zartes Lächeln über das Gesicht der Mutter? …oder war es doch nur ein Zucken?

Zusammen legten sie sich einige heiße Würstchen auf 2 Teller, packten die krossen Semmeln dazu  und setzten sich zusammen auf das abgewetzte Sofa im Wohnzimmer. Schweigend aßen sie die Würstchen, die übrigens ganz herrlich mundeten. Sie beobachtete Ihre Mutter beim Essen. Ab und zu hielte die Mutter inne, ihr Blick wurde glasig und man sah ihr an, dass sie in einem Gedanken, in einem Tagtraum verschwand. Nach kurzer Zeit fasste sich die Mutter wieder und kaute weiter. Anders kannte sie ihre Mutter ja nicht…es war schon immer so: Die Mutter war immer schon mehr ab- als anwesend!

So saßen sie friedlich beide im Schneidersitz auf dem alten Sofa, die Teller auf die Knie gestellt und aßen das erste Mal seit langer Zeit zusammen…da fing es draußen zu schneien an. Dicke Flocken fielen auf den kleinen , kahlen Betonbalkon, der direkt vor dem Wohnzimmerfenster der kleinen, kalten Wohnung lag. Die Mutter erstarrte und fing ganz leise zu weinen an. Es liefen ihr kleine Bäche von Tränen aus beiden Augen, und auch aus der Nase kam eine glasige Flüssigkeit, die ihr auf die Lippen lief. Schnell reichte sie ihrer Mutter ein Taschentuch, in das beherzt geschneuzt wurde. „Was ist denn los mit Dir, Mama? Warum weinst Du immer, wenn Du Schnee siehst, wenn es schneit? So sag es mir doch endlich mal!“ Die Mutter blickte sie mit geröteten Augen ganz traurig an und sagte leise schluchzend: „ Ach, der Schnee ! Dieser Schnee hat mir vor elf Jahren mein Herz gestohlen. Als dein Vater in der Lawine gestorben ist, ist mein Herz auch gleich mit verstorben…seitdem habe ich doch keines mehr….!“ Schluchzend kippte die Mutter auf die Seite, und Ihr Gesicht verschwand weinend in dem großen, verschlissenen Sofakissen…sie war nicht mehr ansprechbar. Das Mädchen war nun auch sehr, sehr traurig, hatte ebenfalls Tränen in den Augen, stand auf, räumte die Teller noch in die Küche und ging wieder in Ihr Zimmer. Mit Erstaunen stelle sie fest, dass der Wolleknäuel jetzt blutrot war! Er leuchtete geradezu auf der weißen Bettwäsche, und ein leichtes Pulsieren, wie bei einem Herzschlag ging von ihm aus… Wie unter einem magischen Bann nahm sie ihre Häkelnadel in die Hand, setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett  und legte auf einen magischen Fadenkreis 8 feste Maschen. Wieder arbeitete sie sich spiralenmäßig vorwärts und verdoppelte in den nächsten 4 Runden jede vierte Masche, dann legte sie die so entstandene  kleine Halbkugel auf die Seite und machte genau exakt die gleiche Halbkugel noch einmal! Sie legte die beiden Halbkugeln am Rande an einander und verband sie mit 5 festen Maschen, und mit dem selben Faden umrundete sie  nun die so gefertigte ACHT. Immer da, wo die beiden Halbkugeln den Verbindungssteg hatten, häkelte sie vorne und hinten zwei Maschen zusammen…so wurde die Form immer spitzer, denn sie nahm ja praktisch in jeder Runde zwei Maschen ab…..  Sie füllte auch hier wieder den Hohlraum mit Zauberwolle und schloss das Hütchen nach dem gleichen Prinzip bis nur noch eine Masche auf der Nadeln war! Den Faden flugs vernäht…sie drehte das Objekt um und hatte…ein wohlgeformtes, dunkelrotes  HERZ in der Hand.

„DAS soll Mamas neues Herz sein!“,  rief sie und rannte ins Wohnzimmer!

Im Wohnzimmer war es sehr kalt..die Mutter schlief fest und mit lautem Schnarchen auf dem Sofa.

Ach, wie schön wäre doch ein offener Kamin, wo sich die Wärme der verbrennenden Holzscheite gemütlich im ganzen Raum breit macht. Aber wie soll das gehen, in einem Betonhaus aus den 70iger Jahren? Hier gibt es nicht mal einen Kamin für den Rauchabzug…außer….vielleicht könnte ich mal versuchen einen zu häkeln, wärend Mama noch schläft? Ich meine heute sind DANK des WunderwolleKnäuels ja schon so tolle Sachen hier passiert, vielleicht klappt DAS  ja auch noch?“

Das Mädchen deckte die Mutter mit der verwaschenen Sofadecke von KIK zu…“Da könnte ich mich auch mal an eine schöne kuschelige Sofadecke aus bunten Wolle-Grannys wagen…wenn mal wieder mehr Zeit ist…doch vorher habe ich noch andere Projekte zu bewältigen. Der verschneite Balkon, den wollte ich heute auch noch mit Häkelblumen verschönern…Ach,  es gibt ja immer so viel zu tun. Wenn man gerne handarbeitet, dann sieht man überall und ständig irgendwelche schönen Dinge, die man sich erarbeiten könnte!“

Sie ging wieder in Ihr Zimmer…der wunderbare Wolleknäuel lag auf dem Bett und schimmerte in allen Farben…es roch herrlich nach Blumen, nach Rosen und Veilchen, nach Clematis und Waldreben..wie in einem Pflanzengroßmarkt, wie auf einer blühenden Blumenwiese und sie wusste sofort, was zu tun war!

Runde – auf einen magischen Fadenkreis 10 FM, mit einer Kettmasche

2.Runde – dann brauchen wir 5 Stege für die Blütenblätter: 4 LM, eine Masche überspringen , mit einer FM  fixieren, das Ganze 5 mal, mit einer KM schließen….

Runde – Nun die Blütenblätter, eine FM, 5 ST,  1 FM, das ganze 5 mal, mit einer KM schließen….

4.Runde – wieder Stege anlegen…um jede FM der 2. Runde eine FM und mit 6 LM an der nächsten weißen FM befestigen…eine Runde und auch mit einer KM im ersten Steg schließen..

5.Runde  Nun die nächsten Blütenblätter, eine FM, 7 ST, 1 FM, das ganze 5 mal, mit einer KM schließen….

So entstanden in kurzer Zeit viele viele bunte Blumen, die wild verstreut auf ihrem Bett lagen…. der magische Wollknäuel wurde und wurde einfach NICHT kleiner! Die Blume wurden so herrlich bunt, der Wollknäuel wechselte ständig von selbst die Farben,..sie war wie in einem Farben- und Häkelrausch und wurde dabei immer fröhlicher! Nach einer Stunde ging sie voller Erwartung mit 2 Händen voller Häkelblumen ins Wohnzimmer, machte die Balkontüre auf und schmiss die vielen Blumen mit Schmackes in den Schnee. Sie verteilten sich auf dem Boden und dem verschneiten Geländer und sahen so schon sehr schön aus, wenn sie nicht gänzlich im Schnee versanken. „So, jetzt mal abwarten was hier noch passiert…ich mache mich jetzt mal an den Kamin..und das Feuer!“

Und so verbrachte sie den ganzen Nachmittag, der Wunderknäuel half wo er nur konnte, er wechselte die Farben so, wie sie gebraucht wurden: Terracotta für den Kamin, Rot, Orange und Schwarz für die lodernden Flammen. Dann erarbeitete sie noch ein schönes Modellkleid für Ihre Puppe und ihren Teddybären, häkelte  ein gebratenes Hühnchen und viel gesundes Gemüse in Miniatur…und hatte so eine Freude dabei…die Zeit verflog, wie immer, wenn man intensiv  bei der Sache ist!

Die Mutter blieb die ganze Zeit eingerollt auf dem Sofa und schlief fast komatös vor sich hin.  Es wurde dunkel…so dämmerte der Abend des ersten Weihnachtsfeiertages heran.

Gegen 20 Uhr erwachte die Mutter…Ihre Augen waren vom vielen Weinen noch sehr verquollen..sie blinzelte und traute ihren Augen nicht. Der kleine Balkon war in ein Blumenmeer verwandelt worden. Es sah aus wie im Botanischen Garten im Tropenhaus…Blüten und Blätter reihten sich aneinander..es war fast kein Schnee mehr zu sehen. Und die Blumen blühten als wäre es Sommer…seltsam.

Was ist das denn?

Es knackte laut…sie erschrak…erst jetzt fiel ihr das knisternde Kaminfeuer auf der rechten Seite des Zimmers auf! Ja, wie kommt hier ein Kamin rein? Das ist ja wunderschön und auch so kuschelig warm…das Zimmer sieht in diesem Licht sogar ganz gemütlich aus.

Um die Ecke bog nun Ihre Tochter in einem ganz bezaubernden Modell-Kleidchen.

Sie brachte eine silberne Platte mit einem gebratenen Huhn und viel gesunden Gemüse herein und stellte das Ganze auf den Couchtisch. „Frohe Weihnachten, liebe Mama!

Der Mutter blieb der Mund offen stehen…sie bemerkte erst jetzt, dass auch sie auch ein wunderschönes Kleid trug, dass die Decke auf dem Sofa eine wunderschöne, farbenprächtige Grannydecke war, so eine wie man sie sonst nur auf Facebook in den amerikanischen Handarbeitsgruppen sieht… Es war ein Wunder.

„Mein liebes Kind, was ist nur los mit mir? All die Jahre habe ich neben Dir her gelebt und keine Liebe für Dich empfunden…wie konnte ich nur so kaltherzig sein? Dabei bist DU doch der größte Schatz, den ich habe !“

Sie fielen sich in die Arme, weinten beide bitterlich um all die vergeudeten Jahre ohne Herzenswärme und mütterliche Liebe. Sie verziehen sich gegenseitig alles, lachten und schwattzen viel und machten sich über den herrlichen Festtagsbraten her. Nur ab und zu musste eine von beiden ein kleines Wollestück aus den Zähnen entfernen, aber das machte wirklich nichts: das Essen schmeckte fast so gut wie der sizilianische Auberginenauflauf von Sabine!

Es wurde für beide das schönste Weihnachtsfest….

Und das allerschönste an der Geschichte: diesen Wolleknäuel gibt es auch bei mir im Laden, Müllerstraße 50 in München…natürlich nur , wenn man genügend Fantasie mitbringt!

Also schön wäre es schon!

liebe Grüße Eure Perle

 

 

 

 

 

 

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